Montag, 4. Mai 2015

Schadenfreude



Ganz cool wollte er sein. Seine Clique beeindrucken. Mit viel Tempo, mit hoch erhobenem Haupt, kam er auf die Talstation zu. Im letzten Moment erst die elegante Kurve. Und dann so jämmerlich ausgerutscht auf einer am Boden liegenden Slalomstange, die er in seinem Imponiergehabe nicht beachtet hatte. Das Gelächter seiner Freunde war ihm sicher. Ansonsten war nichts passiert. Das Bild war mir aber Anlass, etwas über die meistverbreitete Freude nachzudenken. Die Schadenfreude.

Wikipedia erklärt diese Freude wie folgt: „Als Schadenfreude wird die Freude über das Missgeschick oder Unglück anderer bezeichnet.“


Bloss, warum kann man sich daran bloss freuen? Obiges Beispiel ist ja noch harmlos. Doch kenne ich Leute, die sich über den beruflichen Misserfolg anderer freuen. Die sich sogar beim Konkurs eines „Mitbewerbers“ still freuen. Die grösste Zahl bekennender Schadenfreudiger war nach dem Einbruch in Dieter Bohlens Villa zu verzeichnen. 10‘000ende haben sich ins Fäustchen gelacht, es dem Lästermaul gegönnt, um einige Dinge erleichtert worden zu sein.


Interessant ist die wissenschaftliche Feststellung, dass Kinder unter acht Jahren Schadenfreude nicht kennen. Schadenfreude sei angelernt. Und wenn der Psychoanalytiker Sigmund Freud sogar meint, dass Schadenfreude eine Form von Aggression sei, macht mich dies nachdenklich.


Dass Schadenfreude dem Lachenden ein paar Glücksmomente schenkt, kann ich nachvollziehen. Was ist aber mit dem Betroffenen? John Steinbeck hat schon darauf hingewiesen: „Auslachen ist schlimmer als auspeitschen.“ Und der Philosoph Schopenhauer meinte: „Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur bleibt aber die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit eng verwandt ist.“


Schadenfreude mag die einen zwar erheitern. Für die anderen ist sie aber sehr verletzend. Und das wollen wir eigentlich nicht. Da gibt es so viele Kampagnen zur Verhinderung von Unfällen und Verletzungen. Aber auf dem Gebiet der gegenseitigen seelischen Verletzungen, da machen wir uns einen Spass daraus. Das muss nicht sein. In der Freien Ferienrepublik erleben wir Dinge, die es sonst nicht gibt. Mehr Sonne. Mehr Schnee. Beste Pistenverhältnisse. Unzählige Wanderwege. Einzigartige Gletscher. Die höchsten Viertausender. Gesunde Luft. Intakte Natur. Es wäre schön, wenn auch das Miteinander idyllisch wäre. Es bei uns möglichst keine verletzende Schadenfreude mehr gäbe.



Christoph Gysel



„Für die Schadenfreude ist die Freude zu schade.“
Werner Mitsch



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